Ratgeber

Indexmieten unfair? Deswegen ist die Diskussion die falsche

Autorenbild Kilian Treß
Du suchst ein neues Zuhause? Finde deine Immobilie

Indexmieten stehen politisch unter Beschuss. Der Eindruck: Sie seien besonders ungerecht und in Zeiten hoher Inflation kaum tragbar. Doch zwei wissenschaftliche Untersuchungen zeigen ein anderes Bild.

Wenn ein Nischenmodell zum Problem erklärt wird

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will an die Indexmieten. Sie hat einen Gesetzentwurf für die Regulierung von an die Inflationsrate gekoppelten Indexmieten angekündigt, eine Steigerung von Indexmieten dürfe nicht nach oben offen sein, sagte Hubig dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Noch im Dezember wolle sie einen Entwurf vorlegen.

Die Begründung: Mieter würden doppelt belastet, erst durch steigende Verbraucherpreise, dann durch steigende Mieten. Die Kritik wirkt nachvollziehbar – doch ist sie auch gerechtfertigt?

Der Faktencheck

Ein Blick auf die Daten darf hier nicht fehlen. Denn die horrenden Steigerungen der Indexmieten spiegeln nur den Ausnahmezustand der Inflation 2022 und 2023 wider.

Eine aktuelle Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW-Kurzbericht 51/2025) zeigt: Trotz der politischen Aufmerksamkeit machen Indexmieten in Deutschland nur 2,6 Prozent aller Mietverhältnisse aus. Sie sind also keineswegs der Motor steigender Mieten wie man ahand der Diskussion vermuten könnte.

Auffällig ist lediglich ihre stärkere Nutzung im Neubau und in den Großstädten. Genau dort verschiebt sich die Verhandlungsmacht ohnehin seit Jahren zulasten der Mieter. Doch die eigentliche Überraschung liefert der Blick in die Vergangenheit.

Studien zeigen: Lange Zeit waren Indexmieten für Mieter günstiger

Der IW-Kurzbericht legt klar fest: In den 2010er Jahren stiegen die Lebenshaltungskosten in vielen Großstädten deutlich langsamer als die Mieten. Das bedeutete: Wer eine Indexmiete unterschrieben hatte, fuhr oft besser als mit einem regulären Vertrag, bei dem Mietsteigerungen über Vergleichsmiete oder Staffel festgelegt wurden.

Wörtlich heißt es: „Aus Mietersicht sind Indexmieten günstiger als reguläre Mietverhältnisse, wenn die Lebenshaltungskosten weniger stark steigen als die Mieten, was in Großstädten und Ballungsräumen vor allem in den 2010er Jahren der Fall war.“

Auch der Wirtschaftsdienst bestätigt diese Entwicklung im Kommentar „Indexmiete – Ja, es besteht Reformbedarf!“ (Deschermeier/Henger, 2023):
„Für Mietende, insbesondere in Großstädten und Ballungsräumen, waren Indexmieten vor dem Auftreten der Inflation in aller Regel günstiger als reguläre Mietverhältnisse.“

Mit anderen Worten: Indexmieten wirkten lange Zeit sogar wie eine Mietpreisbremse, nun sind sie plötzlich unfair?

Erst die Energiekrise ließ das Modell kippen

Ab 2021 änderten sich die Vorzeichen. Die Verbraucherpreise stiegen sprunghaft, vor allem wegen der Energiepreise. 2022 war die Inflation so hoch wie seit 1951 nicht mehr. Damit verloren Indexmieten tatsächlich ihren Vorteil: Erstmals überholten die Lebenshaltungskosten die Mietentwicklung deutlich.

Dabei war die Härte der Energiekrise zum Teil Hausgemacht, die Themen sind unlängst bekannt.

  • Abhängigkeit von russischem Gas
  • zu spät angegangene Diversifizierung des Strommixes
  • stockender Ausbau erneuerbarer Energien
  • fehlende Puffermechanismen für Marktschocks

Nicht umsonst fordern die Industrie und Teile der Energiewirtschaft den Einsatz ungenutzter Kraftwerke, um niedrigere Strompreise zu erreichen. „Deutschland hat einen riesigen Reservekraftwerkspark, der Industrie und Haushalte sicher und günstig mit Strom versorgen könnte“, sagte Andreas Reichel, CEO des Kraftwerksbetreibers Steag Iqony dem Handelsblatt.

Diese strukturellen Versäumnisse machten die Preisexplosionen am Energiemarkt in Deutschland besonders stark – was Auslöser für die starke Inflation und damit auch die Folgen für alle Indexmietverträge war.

Während Kaltmieten 2022 laut IW nur um rund 2 Prozent anzogen, stieg der Verbraucherpreisindex um fast 7 Prozent.

Ein Wunsch nach einem politischen Eingriff ist dewswegen natürlich irgendwo verständlich. Hamburg forderte im Bundesrat eine Begrenzung von Indexmieterhöhungen auf maximal 3,5 Prozent pro Jahr. Der Mieterbund sprach von „Doppelbelastung“. Und die Justizministerin möchte nun eben einen eigenen Indexmietendeckel vorlegen. Doch auch hier lohnt ein genauer Blick, ob die Bürokratie hier helfen kann.

Warum die Debatte an den falschen Stellen ansetzt

Denn das Problem ist nicht das Modell selbst, sondern die seltene Konstellation aus Energiekrise, hoher Inflation und dauerhaft angespannter Wohnraumsituation.

Beide Studien kommen zu einem ähnlichen Schluss: Indexmieten sind nicht per se unfair. Sie sind ein Mietmodell, das in Phasen niedriger Inflation gut funktioniert – und sogar nur zu moderateren und damit fairen Mieterhöhungen führen kann.

Die eigentliche Schieflage entsteht an anderer Stelle:

  • zu wenig Wohnungsbau
  • zu wenig sozialer und gemeinwohlorientierter Bestand
  • stark steigende Nachfrage in Großstädten
  • wachsende Lücke zwischen Neuvertrags- und Bestandsmieten

Das erste Problem ist mittleriwe wieder in den Griff bekommen worde. Die Inflation hat fast wieder die 2,0-Prozent erreicht. Das andere ist der Wohnraummangel.  Das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen wurde Jahr für Jahr deutlich unterschritten. Das treibt auch die Mieten für Neubschlüsse und Verlgleichsmieten immer weiter.  Solange diese Faktoren bestehen, wird jede Mietform – Index, Staffel oder Vergleichsmiete – früher oder später als ungerecht empfunden. Die Markt bestimmende Meinung ist deutlich: Es fehlt an Angebot, nicht an Regulierung.

(1)
1 von 5 Sternen
5 Sterne
 
0
4 Sterne
 
0
3 Sterne
 
0
2 Sterne
 
0
1 Stern
 
1
Deine Bewertung:

Seite weiterleiten

Artikel drucken

War dieser Artikel hilfreich?

Neuen Kommentar schreiben

immowelt Redaktionskodex

Die immowelt Redaktion verfügt über ein breites Immobilienwissen und bietet den Lesern sorgfältig recherchierte Informationen in hilfreichen Ratgebertexten. Der Anspruch der immowelt Experten ist es, komplexe Sachverhalte möglichst einfach wiederzugeben. Sämtliche Inhalte werden regelmäßig überprüft und verlässlich aktualisiert. Die immowelt Redaktion kann und darf keine rechtsgültige Beratung leisten. Für rechtsverbindliche Auskünfte empfehlen wir stets den Rat eines Fachanwalts, Eigentümer- oder Mieterverbands einzuholen.

Hier geht es zu unserem Impressum, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Hinweisen zum Datenschutz und nutzungsbasierter Online-Werbung.