Das neue Balkonkraftwerk-Gesetz sollte eigentlich für Rechtssicherheit sorgen. Doch ein frisches Urteil des Bundesgerichtshofs sorgt für Aufregung: Auch ohne Eingriff in die Bausubstanz kann eine Solaranlage am Balkon eine bauliche Veränderung sein – und damit ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft rechtswidrig.
Sind Balkonkraftwerke ohne Genehmigung nun doch illegal? Der Bundesgerichthof sorgt durch ein Urteil für Unruhe. Foto: stock.adobe.com / EKH-Pictures
Seit Oktober 2024 gelten Balkonkraftwerke in Eigentümergemeinschaften als privilegierte Maßnahme, die nur in Ausnahmefällen verboten werden darf. Viele dachten daher: Einfach anbringen und fertig. Doch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Juli 2025 (Az. V ZR 29/24) wirft neue Fragen auf – und sorgt dafür, dass sich viele Eigentümer nicht mehr sicher sind, ob ihre Anlage überhaupt erlaubt ist.
Der BGH entschied: Auch ohne Bohrlöcher oder andere Eingriffe in die Bausubstanz kann eine Solaranlage am Balkon eine bauliche Veränderung sein – wenn sie das Erscheinungsbild deutlich verändert. Und genau solche Veränderungen brauchen vorher die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft. Fehlt diese, ist die Anlage rechtswidrig – selbst wenn sie eigentlich unter die neue Privilegierung fällt.
Der Fall vor Gericht
In Berlin hatte ein Wohnungseigentümer neun große Solarmodule über die gesamte Länge seines Balkons montiert. Die Gemeinschaft forderte den Rückbau, weil keine Genehmigung vorlag. Sichtbar wurde die Anlage besonders, nachdem Büsche und Bäume entfernt wurden.
Das Amtsgericht gab der Gemeinschaft Recht, das Landgericht stellte sich auf die Seite des Eigentümers – am Ende kippte der BGH diese Entscheidung wieder.
Privilegiert heißt nicht genehmigungsfrei
Das neue Gesetz erlaubt zwar grundsätzlich Balkonkraftwerke, verlangt aber weiterhin einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft. Wer ohne diesen Beschluss montiert, kann zum Rückbau gezwungen werden. Selbst wer Anspruch auf Genehmigung hätte, muss diesen aktiv einfordern – notfalls vor Gericht. Einfach auf „Treu und Glauben“ zu setzen, reicht nicht mehr.
Auch altes Recht hätte zum Rückbau geführt
Selbst wenn die Anlage vor 2020 angebracht worden wäre, hätte der Eigentümer schlechte Karten gehabt. Denn schon damals mussten alle zustimmen, wenn eine bauliche Veränderung andere Eigentümer spürbar beeinträchtigte – und eine auffällige, große Solaranlage am Balkon gilt genau als solcher Nachteil.
Was heißt das für Eigentümer?
Das Urteil lässt offen, wie Gerichte künftig im Einzelfall entscheiden. Klar ist aber: Ohne Beschluss ist ein Balkonkraftwerk in einer Eigentümergemeinschaft riskant – selbst wenn es nach neuer Gesetzeslage „privilegiert“ ist. Wer auf Nummer sicher gehen will, holt sich vorher die Zustimmung, dokumentiert sie und prüft, ob optische Veränderungen als „wesentlich“ gewertet werden könnten.
Geschrieben am 15.08.2025
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