Kurz vor Weihnachten wirkt dieses Haus wie eine moderne Anspielung auf die berühmteste Unterkunft der Welt. Lehm, Stroh und Holz bilden die Basis für ein Tiny House, das bewusst auf Hightech-Materialien verzichtet und trotzdem hochmodern ist. Was nach Weihnachtsromantik klingt, ist ein konsequent durchdachtes Zukunftsmodell für nachhaltiges Wohnen.
Lehm, Stroh und Holz statt Beton und Stahl: Ein Circular Tiny House zeigt, wie minimalistisches Wohnen mit natürlichen Baustoffen, Photovoltaik und durchdachtem Raumkonzept heute aussehen kann. Foto: iStock.com / ugis bralens
Wohnen wie vor 2000 Jahren – nur neu gedacht
Lehm, Stroh und Holz gehören zu den ältesten Baustoffen der Menschheit. Lange galten sie als rückständig, heute feiern sie im nachhaltigen Bauen ein Comeback. Auf dem Campus der Hochschule Coburg wurde aus genau diesen Materialien ein sogenanntes Circular Tiny House errichtet. Kein Beton, kein Stahl, keine komplizierte Haustechnik – dafür ein Gebäude, das vollständig rückbaubar ist und dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft folgt.
Mit 18 Quadratmetern Wohnfläche auf zwei Ebenen zeigt das Minihaus, wie viel Raum selbst auf kleiner Fläche entstehen kann. Doppelbett, Arbeitsplatz, Sofa, Küche, Bad und Stauraum finden hier Platz. Drei Personen können gemeinsam essen, ohne dass es sich beengt anfühlt. Klein ist dieses Haus nur auf dem Papier.
Stroh in der Wand, Lehm an der Oberfläche
Gedämmt wurde das Tiny House mit Stroh – einem nachwachsenden Rohstoff, der CO₂ speichert und regional verfügbar ist. Die Herausforderung: Aus einem weichen, flexiblen Material eine tragfähige, verputzbare Wand zu bauen. Gelöst wurde das mit mehreren Schichten Lehmputz, die in aufwendiger Handarbeit aufgetragen wurden.
Lehm bringt Eigenschaften mit, die moderne Baustoffe oft nur imitieren. Er speichert Wärme, gleicht Temperaturschwankungen aus und sorgt für ein stabiles Raumklima. Im Sommer bleibt es angenehm kühl, im Winter warm. Gleichzeitig kann Lehm Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen und wieder abgeben – ganz ohne Lüftungsanlage oder Elektronik.
Energetisch autark – auch ohne Wärmepumpe
Das Tiny House kommt vollständig ohne fossile Energien aus. Der gesamte Strombedarf wird über Photovoltaikmodule auf dem Dach gedeckt. Geheizt wird elektrisch – allerdings nicht über klassische Heizkörper oder Fußbodenheizung, sondern über in Lehm integrierte Strahlungsheizelemente.
Diese geben die Wärme direkt an den Baustoff ab, der sie speichert und gleichmäßig in den Raum zurückstrahlt. Das Ergebnis ist eine behagliche Wärme ohne Zugluft, ohne sichtbare Technik und ohne eigenen Heizraum. Selbst kleine Beschädigungen beeinträchtigen die Funktion nicht – ein pragmatischer Ansatz, der gut zum Konzept passt.
Ein Tiny House mit Verfallsdatum
Anders als viele andere Minihäuser ist dieses bewusst nicht für die Ewigkeit gebaut. Rund fünf Jahre soll es als Gästewohnung für Dozenten und Studierende genutzt werden. In dieser Zeit wird genau beobachtet, wie sich das Gebäude im Alltag bewährt: Energieverbrauch, Raumklima, Komfort.
Nach Ende der Testphase folgt der konsequente Rückbau. Lehm und Stroh werden wieder in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt, Holz und Technik weiterverwendet. Müll entsteht dabei kaum. Das Haus verschwindet – die Erkenntnisse bleiben.
Minimalismus mit Weihnachtsbezug
Kurz vor Weihnachten erinnert dieses Tiny House daran, dass Wohnen nicht zwangsläufig mit immer mehr Technik, Fläche und Material verbunden sein muss. Der Vergleich mit dem Stall von Bethlehem drängt sich fast auf: einfache Materialien, wenig Luxus, aber alles, was man zum Leben braucht.
Der Unterschied liegt im Detail. Statt Krippe gibt es Solarstrom, statt kalter Nächte gut gedämmte Lehmwände. Das Prinzip aber bleibt überraschend aktuell. Weniger Aufwand, weniger Ressourcen – und vielleicht gerade deshalb mehr Wohnqualität.
Geschrieben am 21.12.2025
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