Mehr als jedes zweite Haus in der Haansestadt an der Ostsee hat einen Mindest-Energiestandard D oder besser. Das ergibt einer Auswertung aller angebotenen Wohnungen auf der immowelt-Plattform. Warum Rostock im Osten kein Einzelfall ist und was wir daraus lernen können.
Das Klima an der Mecklenburgischen Ostseeküste kann vor allem im Winter rau sein. Dann ist es schön, wenn es wenigstens in der Wohnung warm ist, und auch bleibt. Für die meisten Wohnungen und Häuser dürfte das der Fall sein. Eine aktuelle Auswertung der angebotenen Wohnungen auf dem Portal von immowelt zeigt: Rostock ist die Stadt mit den im Schnitt meisten energieeffizienten Gebäuden in Deutschland. Für die Auswertung wurden die angebotenen Wohnungen auf dem immowelt-Portal sowie Einfamilienhäuser aus den Jahren 2023 und 2024 untersucht.
Exakt 62,62 Prozent aller Wohngebäude verfügen in der Hafenstadt über einen hohen Energieeffizienz-Standard. Ein genauer Blick zeigt: Genau jedes zweite Einfamilienhaus hat mindestens eine Energieeffizienzklasse von A+, A, B oder C. Bei Wohnungen sind es fast 3 von 4 (71 %). Das sind jeweils außergewöhnlich hohe Quoten, die Rostock in puncto Nachhaltigkeit und Energieeinsparung zur führenden Stadt machen.
Ein weiterer Blick auf das Ranking zeigt: Rostock führt zwar deutlich, aber viele weitere ostdeutsche Städte sind ebenfalls ganz vorne in der Liste. Allein acht der Top-Ten-Städte der immowelt-Analyse liegen in den neuen Bundesländern: Alles Großstädte. Insgesamt schneiden der Osten und der Süden deutlich besser ab, als Städte im Norden und Westen.
Top 10 Städte
| Stadt | Anteil Gebäude Energieeffizienzstandard D oder besser |
|---|---|
| Rostock | 62,62% |
| Potsdam | 58,04% |
| Chemnitz | 51,27% |
| Schwerin | 50,85% |
| Leipzig | 50,68% |
| Dresden | 50,10% |
| Vechta | 48,39% |
| Erfurt | 47,65% |
| Lindau | 47,62% |
| Halle (Saale) | 47,46% |
Mit Ausnahme von Vechta und Lindau finden sich fast ausschließlich Städte aus den neuen Bundesländern in den Top 10 des Rankings. Die erste Westdeutsche Großstadt ist Erlangen in Bayern auf Rang 12, aber in dieser Region der Tabelle liegen fast ausschließlich Städte aus dem Osten der Republik.
Die Rolle der Fernwärme – ein Erbe der DDR
Auffällig ist, dass fast alle Städte aus dem oberen Ranking ein großes Fernwärmenetz haben. In vielen Städten wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Fernwärme gesetzt. Zu DDR-Zeiten ob in Rostock oder weiteren ostdeutschen Städten entstanden in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche neue Stadtteile für hunderttausende Einwohner, die direkt an das vorhandene Netz angeschlossen wurden. Die damalige Motivation war pragmatisch: eine effiziente und kostengünstige Energieversorgung für große Wohngebiete. Während im Westen Deutschlands Gas- und Ölheizungen dominierten, setzte die DDR auf zentrale Wärmeversorgungssysteme. Ein System, das sich zumindest jetzt auszahlt? Diese Betrachtung erklärt, warum die kommunale Fernwärmeplanung heute wichtiger denn je ist.
Laut Angaben des Rostocker Energieversorgers deckt Fernwärme heute bereits 41 Prozent des Gesamtwärmebedarfs in der Stadt ab. Zudem wurde der Energiemix in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert: Während früher vor allem Kohlekraftwerke die Fernwärme lieferten, setzt man heute vermehrt auf nachhaltigere Lösungen wie Gas und Biomasse. Auch in Potsdam gibt es ähnliche Entwicklungen, mit dem Ziel, künftig gänzlich auf fossile Brennstoffe zu verzichten und so den CO₂-Ausstoß pro Wohnung weiter zu senken. Jede CO₂ -Senkung reduziert automatisch den Anteil jeder Wohnung.
Doch allein an der Fernwärme kann es nicht liegen. Mannheim gilt als eine von Deutschlands Vorzeigestädten für Fernwärme. In 2035 soll hier sogar komplett auf Gas verzichtet werden. Heute liegt der Anteil der Fernwärmeversorgung in Mannheim bei rund 60 Prozent. Dennoch schneidet die Stadt in der immowelt-Auswertung nicht annähernd so gut ab wie Rostock. Das zeigt, dass neben Fernwärme noch weitere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen müssen.
Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen nach der Wende
Ein weiterer entscheidender Faktor für den Oste ist der massive Sanierungsboom nach 1990. Nach der Wiedervereinigung wurde viel Geld in die Modernisierung des ostdeutschen Gebäudebestands investiert.
In den ersten 25 Jahren nach der Wiedervereinigung wurden rund 5 Millionen Wohneinheiten mit KfW-Mitteln instand gesetzt – das ist mehr als jede zweite Wohnung in den neuen Bundesländern. Insgesamt flossen Förderkredite in Höhe von rund 68 Milliarden Euro allein bis 2015. Diese Investitionen ermöglichten nicht nur die Sanierung der oft maroden Bausubstanz, sondern halfen auch, historische Stadtbilder zu erhalten.
Besonders Plattenbauten, die einst als Symbol für sozialistische Wohnpolitik galten, wurden umfassend saniert: bessere Dämmung, moderne Fenster und neue Heizsysteme sorgten dafür, dass diese Gebäude heute oft eine bessere Energiebilanz aufweisen als vergleichbare Westbauten aus den 1950er- bis 1970er-Jahren.
Herausforderungen und Ausblick: Wie geht es weiter?
Trotz der aktuellen Spitzenposition gibt es auch Herausforderungen. Relativ günstige Mieten und ein begrenzter finanzieller Spielraum für Hausbesitzer könnten dazu führen, dass notwendige weitere Sanierungen nicht in ausreichendem Maß umgesetzt werden. Experten warnen, dass viele ostdeutsche Städte zwar aktuell eine gute Energiebilanz haben, aber ohne kontinuierliche Investitionen in den kommenden Jahrzehnten an Effizienz verlieren könnten.
"Wir wollen keine hohen Mieten." Doch "wir müssen die Mieten weiter erhöhen, wir sind Getriebene", sagte Mirjam Philipp vom Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften.
Seit den 1990er-Jahren sind Philipp zufolge allein in Sachsen rund 16 Milliarden Euro in die Bestände investiert worden. Nun aber komme die gleiche Summe mit der jetzt nötigen zweiten Sanierungswelle und dem klimaneutralen Umbau der Wohnungen auf die Unternehmen zu. Hier müsse also weniger für die Förderung von Neubauten getan werden als für die Sanierung bestehender Wohnungen.
Probleme, die in Zukunft auftreten könnten:
- Sanierungsstau: Viele Gebäude sind zwar modernisiert, aber neue Anforderungen wie bessere Dämmung oder der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien erfordern weitere Investitionen.
- Begrenzte Mietsteigerungen: In Städten mit hohen Mieten lassen sich Sanierungen oft leichter refinanzieren. In Rostock und anderen ostdeutschen Städten sind die Mietpreise jedoch niedriger, was energetische Modernisierungen für Eigentümer weniger attraktiv macht.
- Auslaufende Förderprogramme: Viele staatliche Förderungen für energetische Sanierungen wurden in den vergangenen Jahren reduziert oder umstrukturiert. Ohne finanzielle Anreize könnte das Sanierungstempo abnehmen.
Fazit: Rostock als Vorbild – aber langfristige Strategie nötig
Rostock zeigt eindrucksvoll, wie historische Entwicklungen, gezielte Sanierungsmaßnahmen und ein hoher Fernwärmeanteil eine Stadt besonders energieeffizient machen können. Doch um diesen Status zu halten, sind weiterhin Investitionen in energetische Sanierungen, den Ausbau erneuerbarer Energien und eine moderne Fernwärme-Infrastruktur entscheidend. Nur so kann der Vorsprung langfristig gesichert werden.
Geschrieben am 05.03.2025
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