Die Europäische Zentralbank hat die erwartete Zinssenkung um 25 Basispunkte beschlossen. Doch die spannende Frage bleibt: Ist das der letzte Schritt oder gibt es noch weiteren Spielraum nach unten?
Christine Lagarde, Vorsitzende der Europäischen Zentralbank, verkündet die nächste Zinssenkung. Foto: EZB.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt. Damit liegt der Zinssatz für die Einlagefazilität nun bei 2,5 Prozent. Die Entscheidung folgt auf eine kontinuierlich sinkende Inflationsrate in der Eurozone, die im Februar auf 2,4 Prozent gefallen ist. Doch auch wenn die Finanzmärkte mit dieser Entscheidung gerechnet hatten, ist die Unsicherheit über den weiteren geldpolitischen Kurs groß.
Uneinigkeit innerhalb der EZB
Die Senkung ist bereits der sechste Zinsschritt nach unten seit Sommer 2024. Doch innerhalb der EZB-Führung ist umstritten, wie es weitergehen soll. Während einige Ratsmitglieder argumentieren, dass die Zinspolitik nicht mehr restriktiv sei und eine weitere Lockerung gerechtfertigt wäre, warnen andere davor, den neutralen Zins zu unterschreiten. Laut einer Analyse der Commerzbank variieren die Einschätzungen innerhalb des EZB-Rats stark – von 1,5 bis 3,0 Prozent.
Besonders restriktiv zeigt sich weiterhin das deutsche Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel. Im Gegensatz dazu plädiert der portugiesische Notenbankchef Mario Centeno für eine fortgesetzte Senkung der Leitzinsen.
Konjunktur- und Inflationsaussichten entscheidend
Laut Shaan Raithatha, Senior Economist der Vanguard Investment Strategy Group, bedeutet die aktuelle Senkung faktisch das Ende der "restriktiven" Geldpolitik. Das bedeutet, dass die EZB mit der aktuellen Zinssenkung die Phase verlässt, in der hohe Zinsen gezielt genutzt wurden, um die Inflation zu bremsen.
Mit der aktuellen Zinssenkung auf 2,5 Prozent nähert sich der Leitzins laut Experten nun dem neutralen Zinsbereich, also dem Punkt, an dem die Geldpolitik weder wirtschaftlich bremsend (restriktiv) noch stimulierend (expansiv) wirkt. Das heißt, die EZB hat nicht mehr primär das Ziel, Inflation zu bekämpfen, sondern wird sich künftig eher darauf konzentrieren, die Wirtschaft nicht zu stark auszubremsen oder gar wieder zu beleben. Nun könnten also Kredite, auch Baukredite, günstiger werden.
Raithatha sieht Spielraum für weitere Zinssenkungen bis Juli – idealerweise auf 1,75 Prozent.
Dafür spricht, dass sich das wirtschaftliche Umfeld zwar verbessert, aber weiterhin Unsicherheiten bestehen. Die Einkaufsmanagerindizes haben zuletzt erste positive Impulse gezeigt, doch das reale BIP-Wachstum blieb schwach. Zugleich deuten Echtzeit-Lohndaten auf eine sinkende Teuerung bis Jahresende hin.
Geopolitische Faktoren könnten EZB-Kurs beeinflussen
Ein weiteres Risiko für die künftige Zinspolitik sind geopolitische Faktoren. Wachsende Verteidigungsausgaben in Europa und ein möglicher Waffenstillstand in der Ukraine könnten die Konjunktur stärken und den Bedarf an Zinssenkungen reduzieren. Umgekehrt könnten neue Zölle auf EU-Waren, insbesondere aus den USA, die wirtschaftliche Lage belasten.
Bleiben die Zinsen über zwei Prozent?
Ob die EZB den Leitzins weiter senken wird, hängt letztlich von der Entwicklung der Inflation und der Konjunkturdaten ab. Es bräuchte starke Argumente, um den Einlagensatz unter zwei Prozent zu drücken.
Für den Moment bleibt die EZB damit in einer Zwickmühle: Einerseits besteht der Wunsch nach einer weiteren Lockerung, andererseits könnte eine zu schnelle Zinssenkung den neutralen Zins unterschreiten und die Geldpolitik zu expansiv gestalten. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Zentralbank diesen Spielraum noch nutzen kann – oder ob das aktuelle Zinsniveau als das neue Normal betrachtet wird.
Geschrieben am 06.03.2025
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