Härtere Regeln, schnellerer Geldstopp: Die Bundesregierung hat neue Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger beschlossen. Wer Termine im Jobcenter verpasst, muss künftig mit massiven Kürzungen rechnen – bis hin zur vollständigen Streichung der Leistungen. Für viele Vermieter ist das eine Schreckensmeldung. Denn fällt das Bürgergeld, bleibt oft auch die Miete aus.
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Wenn das Bürgergeld gekürzt wird, bleibt oft die Miete offen
Das Jobcenter übernimmt Miete und Heizkosten für Bürgergeldempfänger. Foto: iStock.com / georgeclerk
Die jüngste Einigung der Bundesregierung bedeutet: Wer unentschuldigt nicht zu Terminen im Jobcenter erscheint, bekommt ab sofort 30 Prozent weniger Geld – schon beim ersten Mal. Beim zweiten Mal werden weitere 30 Prozent gestrichen, beim dritten Termin fällt das Bürgergeld komplett weg, inklusive der Kostenübernahme für die Miete.
Was das in der Praxis heißt, liegt auf der Hand: Betroffene verlieren im schlimmsten Fall ihr komplettes Einkommen – und können ihre Miete nicht mehr zahlen. Für Vermieter, die an Bürgergeld-Empfänger vermieten, wird das zur realen Gefahr. Denn das Jobcenter überweist die Miete oft nicht direkt an den Vermieter, sondern an den Leistungsempfänger selbst.
Bleibt die Zahlung aus, hilft auch keine Mahnung: Ohne laufende Leistung gibt es kein Geld, das eingezogen werden könnte. Für viele private Vermieter entsteht dadurch ein doppeltes Risiko – Mietausfall und langwierige Räumungsverfahren, die in den ohnehin angespannten Mietmärkten zu echten Problemen führen.
Vermieten an Bürgergeld-Empfänger: bisher sichere Sache – jetzt riskanter
Vermieten wird riskanter
Bislang galt die Miete bei Bürgergeld-Empfängern als relativ sicher. Das Jobcenter übernahm die sogenannten Kosten der Unterkunft (KdU), die meist direkt auf das Konto des Mieters flossen – oder auf Wunsch direkt an den Vermieter. Damit konnten viele Eigentümer, die ihre Wohnungen sozial vermieten, fest mit regelmäßigen Zahlungen rechnen.
Doch mit den neuen Regelungen kippt dieses Sicherheitsnetz. Wenn jemand Termine im Jobcenter versäumt oder Pflichten verweigert, greift die Sanktion sofort. Das bedeutet:
Kein Bürgergeld, keine Mietzahlung.
Gerade kleinere private Vermieter, die nur ein oder zwei Wohnungen besitzen, könnten das deutlich spüren. „Ein einziger Zahlungsausfall kann die komplette Kalkulation durcheinanderbringen“, sagt ein Branchenkenner. Denn auch Vermieter müssen Kredite, Nebenkosten und Instandhaltungen weiter bezahlen – unabhängig davon, ob das Jobcenter überweist oder nicht.
Ein Dominoeffekt auf dem Mietmarkt?
Die Politik will mit den Sanktionen mehr Druck auf Leistungsbezieher ausüben, um Termine wahrzunehmen und Jobangebote anzunehmen. Doch auf dem Wohnungsmarkt könnte das unerwartete Nebenwirkungen haben. Wenn immer mehr Vermieter befürchten, dass Mieten ausfallen, könnten sie künftig seltener an Bürgergeld-Empfänger vermieten.
Das wäre fatal – denn gerade in vielen Städten sind die „angemessenen Mietobergrenzen“ für Bürgergeld-Empfänger ohnehin knapp kalkuliert. In Berlin, Hamburg oder Köln etwa liegt die zulässige Miete für eine Einzelperson oft unter dem Marktniveau. Schon jetzt finden viele Betroffene kaum Wohnungen, die sie überhaupt finanzieren dürfen.
Mit der zusätzlichen Unsicherheit durch mögliche Sanktionen verschärft sich die Lage weiter: Wer das Bürgergeld verliert, verliert im Zweifel auch seine Wohnung. Und das würde bedeuten, dass das Kommunen durch mehr Notunterkünfte und höhere Sozialkosten abfangen müssen.
Was Vermieter jetzt beachten sollten
Viele Eigentümer fragen sich nun: Wie kann ich mich absichern, wenn ich an Menschen mit Bürgergeld vermiete? Einige Punkte können helfen:
- Direktzahlung ans Jobcenter beantragen: Vermieter können beim Jobcenter beantragen, dass die Miete direkt überwiesen wird, wenn Mietrückstände drohen.
- Sicherheitsrücklagen bilden: Ein Mietausfall kann Wochen dauern, bis das Jobcenter wieder zahlt – eine finanzielle Pufferzone ist ratsam.
- Kommunikation mit Mietern suchen: Wer frühzeitig den Kontakt sucht, kann oft Missverständnisse klären, bevor Sanktionen greifen.
- Alternativen prüfen: In manchen Fällen lohnt sich für den Mieter eine Kombination aus Wohngeld und Teilzeitjob – das reduziert das Risiko vollständiger Zahlungsverzögerungen.
Allerdings ist klar: Selbst gute Kommunikation ersetzt keine stabile Rechtsgrundlage. Wenn die staatliche Leistung ausgesetzt wird, können Vermieter rechtlich kaum etwas tun, außer zu kündigen – was in der Praxis selten eine Lösung ist.
Ein politisches Signal – mit Nebenwirkungen
Was als Signal für mehr Eigenverantwortung gedacht ist, könnte also zur Belastung für den Wohnungsmarkt werden. Die Sanktionen sollen Druck machen, können aber in vielen Fällen genau das Gegenteil bewirken: Wohnungsverlust, Verschuldung und Unsicherheit.
Rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen derzeit Bürgergeld. Selbst wenn nur ein kleiner Teil von ihnen von den neuen Kürzungen betroffen wäre, könnten die Auswirkungen spürbar sein – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Vermieter, Städte und Gemeinden.
Während Arbeitsministerin Bärbel Bas betont, man gehe „bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist“, fordern Sozialverbände bereits Nachbesserungen. Vermieterverbände hingegen warnen vor einem Ketteneffekt: Wenn Mietausfälle zunehmen, könnte die Bereitschaft sinken, an Menschen mit geringem Einkommen zu vermieten – und das in einem Markt, in dem günstiger Wohnraum ohnehin knapp ist.
Geschrieben am 11.12.2025
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